Treppeln

(Trzebule)
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Treppeln
Treppeln

Treppeln liegt ca.19 km südöstlich von Crossen.

Vom Marktplatz in Crossen kommend, erreicht man Treppeln, indem auf der ehemaligen Reichsstraße 5 in Richtung Grünberg fährt. Nach ca. 5 km kommt man nach dem Erklimmen des Rusdorfer Berges an einen Verkehrskreisel, den man weiter in Richtung Grünberg verläßt.

Nach weiteren 10 km biegt man in Logau nach rechts in Richtung Treppeln/Trzebule ab, das nach weiteren 4 km erreicht wird.

Treppeln hatte bei der letzten Volkszählung im Jahre 1939     364 Einwohner   und gehörte zum Amtsbezirk Liebthal, zu dem auch Kossar, Kuckädel, Tornow, Weißig und Lippen gehörten.

Ausschnitt aus der Kreiskarte

      Ausschnitt aus der Kreiskarte
Treppeln ist durch den Wechsel von Wald, Feld und Wiese ein sehr idyllisch gelegenes und zudem ein wasserreiches Dorf. Es waren nicht weniger als 11 Teiche in der Gemarkung. Davon lagen 4 Teiche im Ort. Das waren der Schloßteich, der Mühlenteich, der Schulteich und der Schmiedeteich.

Von den 7 Teichen außerhalb des Ortskerns liegen die meisten sehr hübsch baumumstanden in der Heide und der größte, der Muske-Teich, mit gut 500 m Länge, ist schon ein kleiner See. Durch den Höhenunterschied von bis zu 65 m zwischen den Treppelner Bergen und dem Oberlauf des Kossarer Mühlenfließes mit seinen Teichen ist die Gegend anmutig wellig.
Die landschaftlich so viel gepriesene Kreisstadt weist dagegen nur 40 m Höhenunterschied zwischen der Berglehne und der Oder auf.

Übrigens: der höchste Berg des Kreises Crossen/Oder war nicht – wie unsere Vorfahren in der Schule gelernt hatten – der Signalberg bei Tammendorf (129 m) oder der Chigonkenberg bei Jähnsdorf (125 m), sondern die höchste Erhebung in unserem Heimatkreis ist vielmehr mit 134,5 m über NN der höchste Punkt der Treppelner Berge. Leider trug dieser Punkt noch keinen Namen.

Das Dorf Treppeln gliederte sich in das Bauerndorf mit zwei in Ost und West (an der Kirche) zusammenlaufenden Straßen sowie in den südlich, vor allem jenseits des Fließes gelegenen Gutsbezirk.

Außerhalb des Dorfes war im Osten das Vorwerk Ottilienhof (1.5 km entfernt), im Norden die Schäferei und im Westen die Unter-Mühle (1 km entfernt). Letztere wurde auch von den Einwohnern zahlreicher Nachbardörfer mit Mahlaufträgen bedacht.


  • zur Geschichte des Ortes

Klassifikation von 1718/19
      Klassifikation von 1718/19
Leider ist die Vergangenheit von Treppeln geschichtslos, d.h. über den Ursprung des Dorfes liegen keinerlei schriftliche Quellen vor.

Treppeln muß aber sehr frühzeitig eine Kirche besessen haben, denn der kleineren der beiden Glocken im Turm des Gotteshauses wiesen die Kunsthistoriker dem 13. Jahrhundert zu, also der Zeit der deutschen Siedlung und Städtegründung in Schlesien.

Urkundlich erwähnt wird der Ort mehrfach im 15. Jahrhundert. Um 1500 saßen auf dem Rittergut die Bornsdorf und gab es im Ort zehn Vollbauern. Etwa von 1529 bis 1664 waren die von Knobelsdorff Herren von Treppeln. Dann veräußerten sie das Gut.

Ihre Nachfolger im Besitz wurden die Familien von Marwitz, von Lichnowsky, von der Gröben und von Stensch. Nach diesem häufigen Wechsel übernahm für eine längere Periode (19. Jahrhundert) die Familie von Zychlinsky Grundherrschaft und Kirchenpatronat. Ab 1900 waren schließlich auf dem mit etwas über 2500 Morgen nicht allzu großen Rittergut die Grafen von Finckenstein ansässig.

In der Klassifikation 1718/19 wird Treppeln wie folgt erwähnt:

Treppeln befand sich in den Händen des Johann Hermann Lichnowsky von Woschütz.
Im Ort gab es: 14 Bauern   und    13 Gärtner.    Je eine Hufe gehörten zur Kornmühle und zur Schneidemühle.

Der Boden war sehr sandig und bergig, brachte mittelmäßige Erträge, wie auch die Weide und die Viehzucht. Auf einer Hufe Land wurden gehalten: 2 Pferde, 2 Ochsen, 5 Rinder, 6 Schafe, 2 Schweine.
Brennholz gab es reichlich, es waren einige Bienenstöcke im Ort.

Neben Roggen, Gerste, Hafer und Erbsen wurden auch Wicken, Buchweizen, Hirse, Leinen, Hanf und Hopfen angebaut.
Der Krüger verschänkte 7400 Liter Bier im Jahr. Es gab einen Küster, der aber kein Land hatte.
Im Dorf waren noch 14 alte und junge Hausleute und ein Schneider mit eigenem Haus.

Im Bratring 1806 steht geschrieben:

Treppeln war im Jahre 1806 ein Dorf mit Rittergut, das von Zychlinski verwaltet wurde.
Es hatte 9 Ganz-Bauern, 4 Halb-Bauern, 13 Kossäten, 21 Büdner und 11 Einlieger. Eine Schmiede u. eine Ziegelei.

Treppeln hatte 1806:  59 Feuerstellen u. 389 Einwohner .

Denkmal
          Kriegerdenkmal

In der “Topografischen Übersicht des Reg.Bez. Frankfurt/Oder” aus dem Jahre1840 erscheint:
 ♦  Treppeln war ein Dorf mit Rittergut, mit 1 Vorwerk und 2 Wassermühlen; gehörig zu v. Zychlinski.
     Es hatte 92 Wohngebäude und 470 Einwohner

Für das Jahr 1852 werden genannt:
 ♦  Treppeln: Dorf und Rittergut; 545 Einwohner


Im Riehl und Scheu "Berlin und die Mark Brandenburg …" von 1861 wird geschrieben:

 ♦  Treppeln war ein Dorf mit Rittergut, Besitzer war Baron von Rheinbaben.
    Es hatte eine Schule, 93 Häuser 5oo Einwohner.    1 Schäferei mit 1 Haus und 10 Einwohnern.
    Die Parochie der Kirche war mit der zu Logau vereint.


  • Die achteckige Kirche in Treppeln

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     Kirche mit den 3 Anbauten
Die Kirche des Dorfes ist ein markanter achteckiger Holzblockbau mit einem ziegelgedeckten Pyramidendach. Darauf sitzt ein hölzerner kleiner Turm mit einer geschwungenen barocken Haube. Dieser Kern der Kirche entstand um 1670 unter dem Patronat des Dietrich von Marwitz. Die Inschrift der krönenden Wetterfahne gibt als Jahr der Fertigstellung 1670 an. Der Neubau ersetzte gewiß ein im 30jährigen Kriege verfallenes oder zerstörtes älteres Gotteshaus.

Drei äußere Anbauten wurden im 18. und im 19. Jahrhundert hinzugefügt. Von ihnen enthielt in deutscher Zeit der westliche die über eine Treppe von Süden zugängliche Patronatsloge und der östliche die Sakristei mit einem Vorraum sowie den Bodenaufgang. Baulich am jüngsten ist die Eingangsvorhalle an der Südseite, ebenfalls in Fachwerk ausgeführt.

Innen war die Kirche als Hauptschmuck mit einem dekorativ wirkenden Kanzelaltar aus dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts, dessen Kanzelkörper jedoch möglicherweise noch aus dem mittelalterlichen Vorgängerbau stammte, sowie mit Emporen und einer Orgel ausgestattet.
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     Kirche - heute

Das schlicht gehaltene Innere mit flacher Decke hatte eine darauf gemalte kreisrunde Scheibe mit der Aufschrift "Heilig, heilig, heilig ist Gott".

An weiteren bemerkenswerten Bauten wies das Dorf an der schlesischen Grenze - die Nachbarorte hießen ja Groß-Lessen und Schlesisch-Drehnow - am Westende das aus dem 18. Jahrhundert stammende Pfarrhaus sowie auf dem im Süden gelegenen Friedhof das 1802 errichtete Erbbegräbnis der Familie von Zychlinsky, einen massiven Bau mit Pyramidendach, auf.

Nach der Vertreibung aller Einwohner im Jahre 1945 wurden in Treppeln allmählich Polen angesiedelt. Dies hatte zur Konsequenz, dass die polnischen Neubürger viele Baulichkeiten, die an die über 500 Jahre deutsche Geschichte erinnerten, verändert bzw. zerstört haben.

So haben die polnischen Katholiken die zwei Ansätze zur Sakristei und zur Patronatsloge beseitigt. Es besteht lediglich noch die Vorhalle an der Südseite, deren Fachwerkmauern jedoch geputzt worden sind. Vom Kanzelaltar blieb nur der Rahmen erhalten, und die früher den Kirchenwänden vorgelegten Emporen wurden entfernt. Die Decke des Andachtsraumes wurde verändert, jedenfalls ist von dereinst in ihrer Mitte gemalten runden Scheibe mit den Worten "Heilig, heilig ist Gott" nichts mehr zu sehen.

Auch das Erbbegräbnis derer von Zychlinsky, das den Treppelnern mit seinen dicken Mauern als kleine „Festung“ erschien, wurde abgerissen, nachdem polnische Grabräuber die vorhandenen zwölf Särge geplündert hatten.
Der Friedhof von Treppeln verwandelte sich in Wald.


  • Das Gut in Treppeln

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      beide Fotos sind aus dem Jahr 2010
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      Treppeln - Schloßruine
Treppeln hatte ein Rittergut und ein Schloss. Das Rittergut Treppeln gehörte bis 1945 der gräflichen Familie von Finckenstein bzw. zuletzt der Tochter Elisabet Gräfin v. Kanitz, geb. Gräfin Finck von Finckenstein (*1884, †1972). Sie war mit dem Grafen von Kanitz verheiratet und lebte in Ostpreußen.
Sie ließ den Besitz in Treppeln vom Inspektor Otto Rohde verwalten. Otto Rohde war ein sehr tüchtiger Verwalter - "Beamter", so der Wortlaut, der Treppeln bis 1945 zu einem Mustergut gemacht hat.
Die Familie v. Kanitz besuchte Treppeln mindestens einmal im Jahr, Graf von Kanitz als der Verantwortliche sicher öfter. Es gab dort drei kleine Zimmer, in denen die Familie urlaubsmäßig gemütlich wohnen konnte.

Weihnachten 1944 feierte die Familie v. Kanitz noch in Ostpreußen. Danach reiste die Gräfin Elisabet mit ihrer Tochter nach Treppeln, in der Hoffnung dort in Sicherheit vor der russischen Invasion zu sein. Graf von Kanitz kam am 5. Januar auch dorthin und blieb bis zum 15. Januar 1945 in Treppeln. Dann fuhr er zurück nach Ostpreußen - in den sicheren Tod ("Ich kann doch meine Leute nicht im Stich lassen!"). Er ist am 28. oder 29. Januar in Ostpreußen umgekommen, wie man später erfahren hat.

Am 29. Januar brach die Gräfin Elisabet mit Ihrer Tochter auf - nach ziemlich chaotischen Tagen der Unsicherheit in Treppeln. Sie wollten Frau Rohde mit ihren Kindern und ihren Eltern eigentlich mitnehmen, aber nach einigem Hin-und-her entschloss sich die Familie Rohde doch, zusammen in Treppeln zu bleiben.

Um 5 Uhr früh stand der Wagen, ein gummibereifter Wirtschaftswagen vor der Tür, er wurde reichlich mit Heu und Stroh und Hafer für die zwei Pferde sowie wichtigem Habe der gräflichen Familie beladen. Der Kutscher "Franz" fuhr diesen Wagen recht umsichtig, und nach mehreren Zwischenstopps erreichten sie ihr Ziel - die Endstation der Berliner S-Bahn.

Das Schloß des Gutes diente nach 1945 zuerst den Sowjets, dann bald den Polen als "Kolchosverwaltung". Jetzt gibt es in Treppeln keine landwirtschaftliche Genossenschaft mehr, nur noch Privatbesitz. Deshalb verfiel das „Schloß“ und verfällt vorerst weiter.

Zum Gut gehörte auch eine Mühle, die Obermühle in der Mühlgasse. Die zweite Mühle, die aber zum Dorf gehörte, nannte man Untermühle. Sie lag etwa 1 Kilometer westlich vom Dorf. Sie wurde von einem Wasserrad angetrieben, das lustig in der Gegend klapperte und gern gehört wurde. Ein ziemlich großer Teich, der Untermühlteich, der einen Zu- und einen Abfluß hatte, trieb das Mühlrad an.

Der Untermühlteich ist jetzt wie die anderen Dorfteiche zugewachsen. Nur der große Muske-Teich macht einen gepflegten Eindruck. Der Muske-Teich ist heute das einzige gepflegte und zu intensiver Fischzucht genutzte Gewässer der Gemarkung.


  • Treppeln : Ortsplan mit Häuserverzeichnis

Treppeln war ein Dorf im Kreis Crossen mit ca. 360 Einwohnern. Für Treppeln liegt dem Webmaster weder ein Ortsplan noch ein Häuserverzeichnis vor.
Als einzig verfügbare Quelle verfügen wir nur über das "Einwohnerbuch des Kreises Crossen/Oder - Ausgabe 1926".

Zu den darin genannten Hausnummern konnte leider bisher kein Ortsplan gefunden werden, da die Erlebnisgeneration nicht mehr existiert. Im folgenden werden die Angaben nur kurzgefaßt wiedergegeben:

   •   Die Hausnummern gingen bis 68 für Mühlenbesitzer Friedr. Blümel
   •   Es gab 93 Haushalte,
   •  10 Einträge als Bauern,
   •  22 Einträge als Häusler.

Das Adreßbuch verzeichnete in der unser Gegenwart nahen Zeit allerdings nur noch 10 Bauern und Halbbauern am Orte. Die Wohnungsangabe Brauerei für mehrere Familien des Gutsbezirks von 1926 unterstrich, daß der 1718/19 in die Steuerakten aufgenommene Hopfenanbau in Treppeln seinen Grund hatte.

Den 2. Weltkrieg überstand Treppeln verhältnismäßig unbeschädigt, aber inzwischen sind dort eine ganze Reihe von Baulücken entstanden. So verschwanden alle Gebäude der Unter-Mühle mit Ausnahme des großen Viehstalles, das Pfarrhaus, das ganze Anwesen von Gustav Blümel sowie eine Reihe von Ställen und Scheunen.



Für interessierte Leser, die im Einwohnerbuch nach ihren Vorfahren suchen,ein kleiner Hinweis:

1. Doppelklick auf das Einwohnerbuch von Treppeln (Rechts) → das Einwohnerbuch wird geöffnet.
2. Danach sollte man die Schriftgröße im Einwohnerbuch entsprechend verändern: (bei gedrückter Strg-Taste ist das Mausrad zu drehen!)


  • Treppeln - im Jahre 1945

Das Geschehen in Treppeln in den letzten Wochen bis zur Vertreibung aller Einwohner wurde einem Bericht der Treppelner Landsmännin Friedel Wichmann – in einem „Heimatblatt“ des Jahres 2000 – wiedergegeben. Es folgt auszugsweise ihr Bericht:

Der Krieg näherte sich dem Ende. Das bisher von allen Unbilden und Einwirkungen verschont gebliebene Heimatdörfchen Treppeln geriet so langsam in Aufregung. Die Bewohner wurden zwar oft vom Überfliegen feindlicher Bomber in Richtung Berlin aufgeschreckt, aber das Leuchten einiger brennender Dörfer am abendlichen Horizont kam immer näher.

Die Dorfbewohner erkannten die Situation, beraumten darauf hin eine Versammlung. Auf der Versammlung wurde viel diskutiert und letztendlich beschlossen, wir bleiben alle geschlossen im Dorf. Trotzdem war am nächsten Morgen die politische Leitung des Ortes restlos verschwunden, wahrscheinlich ahnten sie, was ihnen blüht. Nur die wirklich Starken waren geblieben.

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     Der Südosten des Kreis Crossen/Oder
Doch in weiser Voraussicht wurden die Sachen gepackt, die einem besonders am Herzen lagen, oder sie wurden vergraben. Wie sich bald herausstellte, war alles vergebene Mühe, denn der Feind fand sie schnell und bereicherte sich daran, denn es dauerte nicht mehr lange und die Russen erreichten das in aller Abgeschiedenheit gelegene Dörfchen.

Die feindlichen Soldaten begannen sofort mit dem Diebstahl von Schmuck und Uhren und befahlen den Frauen und Mädchen, mit „zur Kommandantur“ zu kommen. Mit vielen anderen wurden sie auf Lastwagen forttransportiert und für den Bau von Feldflugplätzen und Schützengräben eingesetzt. Sie wurden in Sälen und Schulen untergebracht und schliefen auf Strohschütten. Wenn der Tag graute, hatten sie mit geschultertem Spaten anzutreten und ab ging's zu Fuss zum Arbeitsplatz, erst abends bei Dunkelheit kamen sie wieder ins Quartier. Ab und zu wurden sie mit Lastwagen weiter transportiert, sie wussten zum Schluss nicht mehr, wo sie waren. Plötzlich hieß es: „Der Krieg ist aus, Ihr könnt nach Haus gehen!“ Zu Fuß wurden die 200 km zurückgelegt.

Mit wunden Füßen kam auch meine Schwester Clärchen daheim an, wo die Frühjahrsarbeit im vollen Gange war. Die Eltern waren schon mit dem Kartoffelstecken beschäftigt, die Felder mussten ja bestellt werden, und die Saat kam in die Erde. Niemand dachte damals an eine Vertreibung. Anfang Juni schulterten Vater und Clärchen die Sensen und ab ging es zum Heumachen. Sie mähten die ganze Wiese ab. Da sickerte schon die Kunde durch: „Der Pole kommt, wir müssen alle 'raus!“ Keiner wollte das glauben, schon gar nicht unser Vater. Seine Meinung war: „Eher stürzt der Kirchturm ein, ehe sie mir mein Eigentum wegnehmenl“

Am Sonntagabend des 24. Juni 1945 hieß es, dass wir in zwei Stunden die Häuser verlassen müssen. In Eile wurde der noch vorhandene Ackerwagen mit dem Nötigen beladen. Den besten Wagen mit den besten Kühen hatte sich der Pole schon tags zuvor angeeignet. Wie Vater und Mutter, mit ihren schon immerhin 70 Jahren, das überstanden haben, ist mir bis heute ein Rätsel. Ihr ganzes Lebenswerk steckte doch in der Wirtschaft.

Sammelplatz war am Dorfende in Richtung Grunow, hinter dem Pfarrhaus. Vater glaubte noch immer nicht an eine totale Vertreibung und lenkte sein Gespann in Richtung Logau, wo wir eine Feldscheune besaßen. Dort wollte er den ganzen Rummel abwarten und wieder nach Hause zurückkehren. Mutter und Clärchen waren zum Sammelplatz gegangen. Da fiel Clärchen ein, dass das angebundene Kälbchen allein im Stall stand. Sie rannte schnell noch einmal zurück, band es los und versorgte es noch einmal reichlich mit Futter. Dann eilte sie zurück zum Sammelplatz, wo das grosse Abschiednehmen im Gange war.

Die Gutsarbeiter, der Mühlenbesitzer und die Fleischereigeschäftsleute durften noch bleiben und sonderten sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge von den dort versammelten Dorfbewohnern ab. Doch kurze Zeit später mussten auch sie das Feld räumen und wurden verjagt.

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      ehemaliges Spritzenhaus
Wir holten noch unseren Vater mit seinem Fuhrwerk zurück. Bald setzte sich der Treck mit den Treppelner Einwohnern nach Westen in Bewegung. Aber unsere junge Färse, die noch nie im Joch gewesen war, ging fast in die Knie. Ein Pole von der Miliz, der unseren Zug begleitete, trieb Vater, dem es unheimlich leid tat, immer wieder unter wüsten Bedrohungen an.

Nach großer Mühe kamen wir endlich an der Neiße-Brücke an. Dort wurden die Kühe enteignet, und wir mussten sehn, wie wir mit unseren Habseligkeíten weiter kamen. Vorher wurden alle gefilzt. Es hieß, wer seinen Schmuck oder eine Uhr nicht freiwillig abgibt, wird nackt durch die Neiße gejagt. In Anbetracht dieser Drohung holte jeder noch das letzte Verborgene aus dem Versteck. Für ein Stück bekam Vater einen Handwagen und damit ging es nun dem Ungewissen entgegen. Immer noch hatten wir die Hoffnung, es geht bald wieder heim. Die Flüsterpropaganda bestärkte noch diesen Gedanken, denn es hieß: „Leute, geht nicht zu weit, Ihr kommt ja bald wieder zurück!“ Somit hielten sich viele in der Nähe der jetzigen Grenze auf.
Es wurde September und auch ungemütlich frisch, oft wurde im Wald kampiert, eine Feuerstelle eingerichtet und irgendeine Suppe gekocht. Wenn die Vertriebenen abends in ein Dorf einzogen, wurden sie irgendwie untergebracht, meist auf Strohlagern in Sälen oder Schulen. Morgens mussten sie dann weiterziehen, es gab kein Bleiben.

Endlich wurden wir vom Bürgermeister in Beeskow nach Bukow verwiesen zu einem Bauern. Dort bekamen sie erst einmal Unterkunft in der Futterküche neben dem Kuhstall, bis der Bauer, der von seiner Frau getrennt lebte und eine Stube besaß, meinte: „Lass doch die Leute in meine Stube. die ist doch groß genug!“ Nun zimmerte Vater aus Brettern in einer Ecke eine Lagerstatt. Ein paar Bündel Stroh wurden auf die Erde gelegt, das Bettzeug darauf, und das war nach langer Zeit wieder ein richtiges Dach über den Kopf. Für Essen und Trinken arbeiteten alle Drei von früh bis abends.

Eine bessere Unterbringung von Seiten der Behörden war nicht möglich. Da meldete sich Bruder Richard, welcher als Vertriebener in Spremberg Zuflucht gefunden hatte, er besorgte dort für alle Drei eine Unterkunft, wo sie den Rest ihres Lebens in aller Ruhe und Bescheidenheit verbrachten.
  Änd 24.08.2020
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